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ATLAS Flavor Tagging

Die Identifikation von Jets, die Teilchen enthalten, die aus der Hadronisierung eines Heavy-Flavor-Quarks, eines b-Quarks oder eines c-Quarks, stammen, ist ein Schlüsselelement für viele grundlegende Messungen und Suchen im ATLAS-Experiment, einschließlich Präzisionsmessungen des Standardmodells, Messungen der Eigenschaften des Higgs-Bosons und Suchen nach neuer Physik. Dies gilt insbesondere für die in der Siegener Gruppe durchgeführten ATLAS-Analysen, da die Trennung von Signal- und Untergrundereignissen in der Top-Physik entscheidend von der Rekonstruktion der b-Jets abhängt.

Die ATLAS-Kollaboration verwendet verschiedene Algorithmen zur Identifikation von b-jets, die als b-tagging Algorithmen bezeichnet werden. Diese Algorithmen machen sich die lange Lebensdauer, die hohe Masse und die hohe Anzahl der beim Zerfall entstehenden Teilchen, sowie die Eigenschaften der b-Quark-Fragmentierung zunutze. Da die B-Hadronen eine relativ lange Lebensdauer in der Größenordnung von 1,5 ps haben, können sie eine beträchtliche mittlere Fluglänge $\braket{l}=\beta \gamma c \tau$ von mehreren Millimetern haben, bevor sie im Detektor zerfallen. Daher ist die Rekonstruktion eines sekundären Vertex, der im Vergleich zum Kollisionspunkt der Protonen verschoben ist, oft möglich.

Sekundärvertex (SV) der B-Hadronzerfallsprodukte
Sekundärvertex (SV) der B-Hadronzerfallsprodukte

Unsere Gruppe arbeitet am SVF-Algorithmus (Secondary Vertex Finder), der diese verschobenen b- und c-Hadron-Zerfallsvertices innerhalb eines Jets rekonstruiert. Die so erhaltene Liste der Sekundärvertices in einem Jet und ihre Eigenschaften werden dann an b-Tagging-Algorithmen weitergegeben. Um die verschobenen Vertices zu identifizieren, werden zunächst alle möglichen zweispurigen Vertices rekonstruiert. Eine beträchtliche Anzahl Sekundärvertices werden durch Wechselwirkungen primärer Hadronen mit Detektormaterial, Photonenumwandlungen und Zerfälle langlebiger Teilchen ($K_s$ und $\Lambda$) erzeugt. Es handelt sich dabei um echte Vertices, die jedoch einen bedeutenden Untergrund für die Zerfälle von b- und c-Hadronen darstellen. Ihre Anzahl muss bei der Identifikation der b-Jets reduziert werden, was durch kinematische und geometrische Vetos an den Zwei-Spur-Vertices erreicht werden kann. Mehrspurige Vertices werden dann aus den verbleibenden zweispurigen Vertices gebildet, indem diejenigen, die räumlich nahe beieinander liegen, zusammengefügt werden.

Ein weiteres aktives Forschungsgebiet ist das Track Classification Tool (TCT), das jeder einzelnen Spur eine Wahrscheinlichkeit zuordnet, dass diese entweder von einem B-Hadron-Zerfall, der Fragmentierung oder anderen Kategorien wie Pile-Up und Wechselwirkung mit dem Detektormaterial stammt. Dies wird durch eine multivariate Analyse erreicht, bei der die kinematischen und geometrischen Spurparameter als Input dienen. Auf der Grundlage dieser Klassifizierung wird ein B-Tagging-Algorithmus, der Classified Track Tagger (CTT), entwickelt. Dies ist insbesondere im Bereich hoher Transversalimpulse der Jets interessant, da die höhere Anzahl von Spuren, welche von der Fragmentierung stammen, in diesem Energiebereich ein Grund dafür ist, dass die Leistung etablierter b-Tagging Algorithmen abnimmt. Die Auswahl von Spuren, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem B-Hadron-Zerfall stammen, könnte das Problem der erhöhten Multiplizität von Fragmentierungsspuren entschärfen, wenn nur diese im b-Tagging Algorithmus berücksichtigt werden.

 

Veranschaulichung der Probleme im Zusammenhang mit hohen Transversalimpulsen von Jets in b-tagging Algorithmen.  A) Erhöhte Anzahl von Fragmentierungsspuren führt zu mehr gefälschten SVs. B) Erhöhte Materialwechselwirkung erhöht die Anzahl echter SVs, die nicht von schweren Flavour-Jets stammen C) Wachsende Pile-Up-Bedingungen
Veranschaulichung der Probleme im Zusammenhang mit hohen Transversalimpulsen von Jets in b-Tagging Algorithmen. A) Erhöhte Anzahl von Fragmentierungsspuren führt zu mehr gefälschten SVs. B) Erhöhte Materialwechselwirkung erhöht die Anzahl echter SVs, die nicht von schweren Flavour-Jets stammen C) Wachsende Pile-Up-Bedingungen

 

Veröffentlichungen (mit Beiträgen aus dieser Gruppe):

  1. ATLAS Collaboration, ATLAS b-jet identification performance and efficiency measurement with $t\bar{t}$ events in $pp$ collisions at $\sqrt{s}=13\,$TeV, Eur. Phys. J. C79 (2019) 970
  2. ATLAS Collaboration, Optimisation and performance studies of the ATLAS b-tagging algorithms for the 2017–18 LHC run, ATLAS-PHYS-PUB-2017-013
  3. ATLAS Collaboration, Secondary vertex finding for jet flavour identification with the ATLAS detector, ATLAS-PHYS-PUB-2017-011
  4. ATLAS Collaboration, Optimisation of the ATLAS b-tagging performance for the 2016 LHC Run, ATLAS-PHYS-PUB-2016-012
  5. ATLAS Collaboration, Performance of b-Jet Identification in the ATLAS Experiment, JINST11(2016) P04008